„Mut haben und die eigene Komfortzone verlassen…“

Jürgen Haschenz

Gesundheits- und Krankenpfleger
Schweiz
11. Februar 2021
4 min.

Arbeiten in der Schweiz bleibt für viele Menschen ein lebenslanger Traum. Den Mut zu haben und seine eigene Komfortzone zu verlassen, kostet anfangs viel Überwindung. Doch ist der Schritt erst einmal gewagt, bietet die neue Herausforderung eine Vielzahl von Bereicherungen, privat und beruflich. Diese Meinung vertritt auch Jürgen Haschenz.

Er war als Gesundheits- und Krankenpfleger der Notfallstation für 5 Jahre in der Schweiz tätig und obwohl er nicht über Korint in die Schweiz gefunden hat, war er so freundlich und hat uns alles über seinen Weg ins ausländische Gesundheitswesen, seine Erfahrungen und die gewonnenen Erkenntnisse berichtet:

Jürgen, möchten Sie sich kurz vorstellen und uns mitteilen, wie es dazu kam, dass es Sie in die Schweiz gezogen hat?

„Aber gerne doch. Ich heiße Jürgen Haschenz, komme aus Dresden und habe die Arbeit im Pflegebereich während meines damaligen Zivildienstes, den ich in einem Krankenhaus absolviert habe, kennen und lieben gelernt. Danach stand es für mich fest, ich möchte auf jeden Fall Krankenpfleger werden und meine berufliche Energie der Genesung von Patienten und Patientinnen widmen. Nach meiner Ausbildung an der Krankenpflegeschule war ich einige Jahre als Krankenpfleger in Deutschland tätig. Das Projekt Abenteuer Schweiz blieb währenddessen stets aktuell.

Als sich in den privaten Gegebenheiten eine Veränderung vollzogen hat, habe ich meine lang gehegten Pläne mit Hilfe eines sehr guten Freundes, der damals schon vor Ort gearbeitet hat, in die Tat umgesetzt. Ich bin ein aufgeschlossener, neugieriger Mensch und war gespannt auf die neue Umgebung, die Menschen und ihre Mentalität und natürlich das Schweizer Gesundheitswesen.“

Wie sind Sie bei Ihrer Planung vorgegangen? Haben Sie Ihren Schweiz-Aufenthalt über eine Agentur organisiert?

„Nein, leider nicht. Ich habe alles in Eigeninitiative und mit der Hilfe meines Freundes bewerkstelligt. Das war tatsächlich sehr aufwendig, mühevoll und vor allem sehr zeitintensiv, da man sich als Laie erst einmal in die bürokratischen Gegebenheiten einarbeiten muss. So habe ich beispielsweise selbst die Berufsanerkennung beim SRK und die Aufenthaltserlaubnis organisiert. Auch in Bezug auf Versicherungen, das Finden einer entsprechenden Arbeitsstelle und einer Unterkunft war ich auf mich allein gestellt.

Aus heutiger Sicht kann ich nur empfehlen, hierzu die Dienste von einer Vermittlungsagentur in Anspruch zu nehmen. Diese Agenturen sind auf solche Formalitäten spezialisiert und kennen sich dementsprechend mit der Materie aus. Sie bieten Unterstützung und Hilfestellungen von Anfang an, arbeiten mit qualifizierten, festen Ansprechpartnern, die bei Fragen direkt kontaktiert werden können und wirken an Problemlösungen aktiv mit. Würde ich noch einmal in die Schweiz gehen, so würde ich es definitiv auch über eine Agentur organisieren lassen.“

Wie haben Sie Ihre Zeit im Schweizer Gesundheitswesen wahrgenommen?

„Ende 2008 habe ich im Spital Limmatal in Schlieren meine Stelle als Gesundheits- und Krankenpfleger angetreten. Ich bin mit der Einstellung in die Schweiz gereist, schon alles zu wissen, wurde jedoch ziemlich schnell eines Besseren belehrt. Im Limmataler Spital konnte ich meine zweijährige Weiterbildung zum diplomierten Gesundheitsexperten für die Notfallpflege absolvieren, was mich beruflich und fachlich erheblich weiter vorangebracht hat.

In der Schweiz genießt das Pflegepersonal und insbesondere das mit Fachweiterbildung ein hohes Ansehen. Die Pflegetätigkeit und der dadurch erbrachte Beitrag am Gesundheitssystem wird allgemein als sehr wertschätzend betrachtet.“

„In unserer Einrichtung war die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und dem Pflegepersonal stets positiv. Es wurde viel Wert auf Gleichstellung und einen sehr höflichen und anerkennenden Umgang miteinander gelegt. Beide Seiten respektierten und schätzten die jeweilige andere Fachkompetenz. Alles wurde gemeinsam und sachlich besprochen, denn guter Ton ist den Schweizern praktisch in die Wiege gelegt. Auch den Umgang und die Arbeit mit den Patienten habe ich als sehr angenehm empfunden sowie die Tatsache, dass es für jede Arbeit spezielles Personal gibt, erleichtert es, sich bei seiner eigenen Tätigkeit auf das Wesentliche zu fokussieren.

Von der Schweizer Arbeitsmentalität hat mich jedoch am meisten beeindruckt, dass sie vorrangig nicht aus finanziellen Gründen arbeiten gehen. Nein, bei ihnen steht vielmehr die eigene Verwirklichung im Vordergrund. Diese Tatsache erinnert mich an die Calvinistische Lebensweise, wobei die Arbeit als Selbstzweck des Lebens angesehen wird und wirtschaftlicher Erfolg das Ergebnis von Fleiß darstellt.

Eine weitere interessante Vorgehensweise des Schweizer Gesundheitswesens ist, dass der Fokus neben der konventionellen Schulmedizin auch vermehrt auf Naturheilmittel und komplementärmedizinische Methoden gelegt wird. Ich persönlich empfinde diese Kombination als sinnvoll. Der vermehrte Einsatz von Medikamenten wird in vielen Ländern als sinnfrei angesehen. In Deutschland könnte man an diesem Punkt ansetzen und die Vergabe von Pharmazeutika sicher etwas minimieren.“

Wie kamen Sie mit der Schweizer Mentalität zurecht? Gibt es dort Besonderheiten?

„Das Sprichwort: „Andere Länder, andere Sitten“ ist nicht nur in Bezug auf das Arbeitsleben der Schweizer zutreffend, sondern auch im privaten Umfeld recht häufig anwendbar. Obwohl sie stets sehr höflich und zuvorkommend sind, ist der private Kontakt zu ihnen eher schwierig. Ich hatte Glück, dass ich bei einer Schweizer Familie aufgenommen wurde, welche mir auch bei meinen ersten Sprachversuchen im „Schwitzerdütsch“ half, mich den Traditionen und ihrer Landeskultur näherbrachte, sowie die Umgebung zeigte. Aber generell dauert es schon eine gewisse Zeit, bis das Eis bei den Schweizern gebrochen ist und eine Freundschaft auch über die Arbeit hinaus entsteht. Dann allerdings sind sie Freunde fürs Leben!“

Warum leben und arbeiten Sie momentan nicht mehr in der Schweiz?  

„Wie das Leben so spielt, habe ich eine deutsche Frau kennengelernt. Da eine Fernbeziehung für uns nicht in Frage kam, habe ich den Entschluss gefasst und bin zu ihr nach Deutschland gezogen. Gemeinsam mit meiner Frau habe ich mir in Dresden, meiner Heimatstadt, ein erfülltes Leben aufgebaut und eine kleine Familie gegründet. Zudem haben wir beide feste Jobs, so arbeite ich als Fachkrankenpfleger für die Notfallpflege im Städtischen Klinikum Dresden Neustadt und auch meine Frau ist im Gesundheitswesen tätig.“

Würden Sie noch einmal in die Schweiz gehen und dort leben und arbeiten wollen?

„In Anbetracht der Tatsache, dass meine Kinder das Erwachsenenalter noch nicht erreicht haben, bin ich momentan an Deutschland gebunden. Daher kommt ein Umzug für mich aktuell nicht in Frage.Würden andere Gegebenheiten bestehen und wäre meine familiäre Situation eine andere, könnte ich mir sehr gut vorstellen, in der Zukunft noch einige Jahre in der Schweiz zu arbeiten, da ich eine großartige Zeit in der Schweiz verbracht habe.

Ein weiterer Aspekt, bei dem ich mir Gedanken über einen Umzug aus meiner momentanen Wohnumgebung machen müsste, ist die aktuelle Ausbreitung der rechtsextremen Szene. Dann käme auch die Schweiz als Option in Frage.“

Können Sie Menschen, die einen Auslandsaufenthalt planen, einen Tipp mitgeben?

„Ich empfinde es als nicht ratsam, nur aufgrund der finanziellen Vorteile in die Schweiz zu gehen. Sinnvoller ist es vielmehr, seine Ziele im Vorfeld zu definieren und zu reflektieren, welchen Nutzen ein Auslandsaufenthalt für die persönlichen Bedürfnisse bietet. Hier sollten beispielsweise berufliche Weiterbildung, individuelle Entwicklung und neue Lebenserfahrung meiner Meinung nach im Vordergrund stehen.

Das Beschreiten neuer Wege erfordert durchaus eine gewisse  Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, jedoch überwiegen im Gegensatz die vielen positiven Eindrücke und Erfahrungen. Seien es neue Kulturen, Traditionen oder die Möglichkeit zu fachlichen Weiterentwicklungen. Zudem kann es die eigene Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflussen und fördern. Das Experiment Ausland bedeutet das Überschreiten von subjektiven Grenzen sowie das „Über-sich-Hinauswachsen“. Es ist eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte und von der ich auch heute noch im Alltag profitiere.“

Vielen Dank, Jürgen für Ihre Zeit und das tolle und interessante Gespräch mit Ihnen! Falls es Sie doch noch einmal in die Schweiz zieht, so lassen Sie es uns gerne wissen 😉

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